Regenerative Nahwärme: Ludwigsburg heizt mit Sonne und Holz
Regenerative Wärmeerzeugung mit Solarthermie
Zahlreiche Haushalte in Deutschland heizen mit Nahwärme. Damit wird der Umbau der Nahwärmenetze zu einem wichtigen Teil der Energiewende: Statt mit Kohle oder Gas sollen die Netze immer mehr aus erneuerbaren Energiequellen gespeist werden. Am Stadtrand von Ludwigsburg trägt eines der größten Solarthermiefelder Deutschlands zur regenerativen Wärmeerzeugung bei.
Regenerative Nahwärmenetze in der Stadt
Regenerative Nahwärmenetze waren bislang eher auf dem flachen Land zu finden: Da gibt es Biogasanlagen zur Wärme- und Stromerzeugung, da wächst genügend Holz für Hackschnitzel-Blockheizkraftwerke und da ist genügend Platz für große Solarthermie-Freiflächenanlagen. So konnten sich kleine Bioenergiedörfer zu hundert Prozent aus regenerativen Energiequellen mit Heizwärme versorgen.
Die Stadt Ludwigsburg zeigt, dass auch im Ballungsraum regenerative Nahwärmenetze aufgebaut werden können. Die Kreisstadt nördlich von Stuttgart bietet einem Teil ihrer rund 93.000 Einwohner den Anschluss an ein Nahwärmenetz an, das zum überwiegenden Teil auf die erneuerbaren Energiequellen Holz und Sonne setzt.
Die drei großen Standbeine des Nahwärmenetzes sind:
- ein Biomasse-Heizkraftwerk
- ein Solarwärme-Kollektorfeld
- ein Langzeitwärmespeicher
1. Holz-Heizkraftwerk
Schon 2009 ging das wichtigste Standbein des Ludwigsburger Nahwärmenetzes in Betrieb: das Biomasse-Heizkraftwerk, das jedes Jahr 10 Millionen Kilowattstunden Strom und 48 Millionen Kilowattstunden Wärme erzeugt. Die mit hochmodernen Filtern und Verbrennungstechniken ausgerüstete Anlage ist damit eines der größten Biomasse-Heizkraftwerke in Baden-Württemberg. Befeuert wird es im Jahr mit 42.000 Tonnen Waldrestholz und Landschaftspflegeholz. Der Standort des Heizkraftwerks liegt verkehrsgünstig auf einem Industrieareal nahe des Bahnhofs.
Ludwigsburg hat sich mit dieser Anlage schon frühzeitig unabhängiger von den Unwägbarkeiten des Energiemarktes und vor allem unabhängiger von fossilen Energieträgern gemacht – eine tatsächlich vorausschauende Planung.
2. Solarwärme
2020 kam als weiteres Standbein ein mindestens ebenso spektakuläres weiteres Projekt hinzu: Mit 10,4 Megawatt zählt das große Kollektorfeld an der Stadtgrenze von Ludwigsburg und Kornwestheim zu den bundesweit größten Solarwärmeanlagen. 14.800 Quadratmeter Kollektorflächen sammeln seit Mai 2020 die Wärmeenergie von der Sonne ein.
Mit rund 10 Millionen Euro hat der Bund das 15-Millionen-Projekt gefördert. Die 1.088 Kollektoren bilden vor allem in den Sommermonaten das Rückgrat der Ludwigsburger Nahwärmeversorgung. In dieser Zeit kann das Holz-Heizkraftwerk heruntergefahren und gewartet werden.
Solarenergie fürs Heizen nutzen
Rund 60 Prozent des jährlichen Warmwasserbedarfs können Hausbesitzer mit Solarthermie abdecken. Es kann sogar die Raumheizung unterstützen. Mehr in unserem Artikel: Lohnt sich Solarthermie für mein Haus? »
Ein derart großes Kollektorfeld auf den horrend teuren Flächen mitten im Raum Stuttgart – wie kann das gehen? Hier kam den Bauherren der Stadtwerke Ludwigsburg-Kornwestheim entgegen, dass eine Bebauung dieser ehemaligen Industrieflächen aufgrund von Altlasten im Boden gar nicht möglich wäre. Eine Chance, die die Betreiber gerne genutzt haben.
3. Langzeitspeicher
Die Solarwärme fließt vom Kollektorfeld in einen Wärmespeicher, der mit 20 Metern Höhe und 14 Metern Durchmesser ein Fassungsvermögen von zwei Millionen Litern bietet. Allein mit der erzeugten Solarwärme können die Heizungen und Warmwasseranschlüsse von 300 Durchschnittshaushalten versorgt werden. Ein derart großer Speicher ist notwendig, um die naturgegebenen Schwankungen der Solarwärmeerzeugung vom Wärmebedarf der angeschlossenen Haushalte zu entkoppeln.
Gut für die Stadt
Mit dem Ausbau des solaren Nahwärmenetzes konnten in Ludwigsburg mehrere kleine, bis dahin rein fossil befeuerte Netze zusammengeschlossen werden. Doch nicht nur die angeschlossenen Haushalte in Neubaugebieten profitieren von der regenerativ erzeugten Wärme.
Auch den vielen denkmalgeschützten Innenstadtgebäuden aus der Barockzeit verhilft die Nahwärme aus einem Dilemma: Die unter Denkmalschutz stehenden Fassaden können von außen meist nicht zusätzlich wärmegedämmt werden. Häufig verbieten sich auch Solaranlagen auf den Dächern. Gleichzeitig fordert das baden-württembergische Erneuerbare-Wärme-Gesetz bei einem Heizungstausch den Einsatz von 15 Prozent erneuerbarer Energien – oder zusätzliche Dämmmaßnahmen als Ersatz. Mit einem Anschluss ans regenerative Nahwärmenetz sind die Hausbesitzer aus dem Schneider und haben die gesetzlichen Vorgaben sogar deutlich übererfüllt.
Nahwärme und Energiewende
Während in Ludwigsburg die Nahwärme zum größten Teil regenerativ erzeugt wird, sehen die Verhältnisse im bundesweiten Schnitt noch ganz anders aus. Die Grafik (Stand Januar 2021) zeigt, dass Biomasse zu 9,4 Prozent und Solarwärme sogar nur zu 0,8 Prozent an der in Deutschland erzeugten Nahwärme beteiligt ist. Die fossilen Energieträger Erdgas (48,1 %) und Kohle (18,6 %) sind führend − noch. Denn auch die Stadtwerke und andere Energieversorger kommen um die Dekarbonisierung ihres Angebots nicht herum.
Bauherren, Hauskäufer und Immobilienbesitzer, denen ein Nahwärmeangebot auf dem Tisch liegt, sollten deshalb genau hinschauen: Woher kommt die Energie? Und wie gut ist das Nahwärmenetz auf die Anforderungen der Zukunft eingestellt? Es werden sich viele Anbieter am Beispiel von Ludwigsburg orientieren können, wenn sie in den nächsten Jahren ihr Angebot auf erneuerbare Energien umstellen müssen.
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