Verkehrssicherungspflicht für Grundstückseigentümer
Wer haftet für Herbstlaub und Sturmschäden?
Wenn sich im Herbst die Blätter rot und gelb färben, ist das für Spaziergänger ein wunderschöner Anblick. Für Hauseigentümer beginnt jedoch eine arbeitsreiche Zeit: Nasse Blätter machen Gehwege rutschig, Herbststürme rütteln an Dachziegeln, und morsche Äste bedrohen parkende Autos.
Glitschige Gehwege, Laub, Schnee, Eis und Sturm − wir erklären, was die Verkehrssicherungspflicht konkret bedeutet, welche Aufgaben Sie nicht aufschieben dürfen und wie Sie rechtlich auf der sicheren Seite bleiben.
Das erfahren Sie in diesem Artikel:
- Verkehrssicherungspflicht: Definition und Bedeutung für Eigentümer
- Laub fegen: Die Verkehrssicherungspflicht bei Herbstwetter
- Eis und Schnee: Die Verkehrssicherungspflicht im Winter
- Sturmschäden vorbeugen: Bäume und Dächer kontrollieren
- Sonderfall: Welche Verkehrssicherungspflicht haben Vermieter – und welche Pflichten dürfen sie dem Mieter übertragen?
- Haftung und Konsequenzen: Was passiert bei einem Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht?
- Fazit: Die Verkehrssicherungspflicht bedeutet Arbeit, schützt Sie aber vor teuren Klagen.
Verkehrssicherungspflicht: Definition und Bedeutung für Eigentümer
Eine allgemeingültige Definition der Verkehrssicherungspflicht lässt sich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 823 BGB) ableiten: Wer eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält – dazu zählt juristisch jedes Grundstück und jede Immobilie – muss alle zumutbaren Vorkehrungen treffen, um Schäden an Dritten (Nachbarn, Passanten, Postboten) zu verhindern.
Das bedeutet für Sie zum Beispiel: Sie müssen dafür sorgen, dass der Postbote nicht auf Ihrem glatten Zugangsweg stürzt und dass einem Passanten kein Dachziegel auf den Kopf fällt.
Wichtig zu wissen: Es geht nicht darum, jede theoretisch denkbare Gefahr auszuschließen. Das wäre lebensfremd. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat klargestellt, dass ein Eigentümer nur das tun muss, was ein „umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch“ tun würde, um Gefahren zu minimieren (BGH-Urteil VI ZR 274/05 vom 06.02.2007). Ein klinisch reines Grundstück wird vom Gesetzgeber nicht erwartet, wohl aber ein verkehrssicherer Zustand.
Laub fegen: Die Verkehrssicherungspflicht bei Herbstwetter
Die bunten Blätter sind des einen Freud, des anderen Leid. Sobald das Laub auf öffentlichen Gehwegen liegt, die an Ihr Grundstück grenzen, sind Sie in der Pflicht, dieses zu entfernen.
Wann und wie oft muss man fegen?
Es gibt keine starre gesetzliche Vorgabe, die besagt, dass Sie alle zwei Stunden zum Besen greifen müssen. Die Reinigungsintervalle hängen stark vom Laubfall und der Witterung ab:
- Bei trockenem Wetter reicht oft eine regelmäßige Reinigung alle paar Tage, wenn keine Gefahr besteht.
- Bei Nässe entsteht aus Blättern schnell eine schmierige "Seife". Hier müssen Sie die Gefahr zeitnah beseitigen, also im Zweifel täglich fegen.
- Die Uhrzeiten: Orientieren Sie sich an den üblichen Zeiten für den Winterdienst. Werktags sollten die Wege meist zwischen 7 und 20 Uhr gefahrlos begehbar sein.
Gut zu wissen: Laubbläser und Laubentsorgung
Wer keine Lust auf Harken hat, greift gern zum Laubbläser. Doch Vorsicht: In Wohngebieten gelten strenge Lärmschutzregeln. Nach der Bundesimmissionsschutzverordnung dürfen diese Geräte an Sonn- und Feiertagen gar nicht und werktags oft nur zu bestimmten Zeiten (meist 9–13 Uhr und 15–17 Uhr) betrieben werden. Prüfen Sie hierzu unbedingt die Satzung Ihrer Gemeinde, um Ärger mit den Nachbarn zu vermeiden.
Wohin mit dem Laub?
Ein häufiger Fehler: Das Laub einfach in den Rinnstein zu fegen, ist meist verboten. Es verstopft die Kanalisation.
- Richtig: Eigener Kompost, Biotonne oder spezielle Laubsäcke der Gemeinde.
- Falsch: Das Laub im nahen Wald abladen. Das gilt als illegale Müllentsorgung und wird mit Bußgeldern geahndet.
In diesem Beitrag geben wir praktische Tipps, wie Sie Laub nützlich entsorgen und verwerten können − und dazu noch weniger Arbeit im Garten haben.
Nachbarschaftsrecht: Wie umgehen mit Laub und Ästen vom Nachbarn?
Streitfall: Das Laub des Nachbarn
Fällt das Laub vom Baum des Nachbarn auf Ihren Gehweg, müssen Sie es trotzdem kehren. Es gilt das "Verursacherprinzip" hier nur bedingt. Nur wenn der Laubfall das ortsübliche Maß extrem überschreitet und die Nutzung Ihres Grundstücks "wesentlich beeinträchtigt" wird, haben Sie eventuell Anspruch auf eine sogenannte Laubrente (eine Ausgleichszahlung).
Was tun bei überhängenden Zweigen?
Auch für überhängende Zweige vom Baum des Nachbarn gibt es klare rechtliche Vorgaben. Viele Hausbesitzer fragen sich: „Darf ich die überhängenden Zweige einfach selbst abschneiden?“ Und: „Darf ich Äste vom Nachbarn zurückwerfen?“
Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) gibt Ihnen mit dem sogenannten Selbsthilferecht tatsächlich die Befugnis dazu, doch der Griff zur Säge ist an klare Bedingungen geknüpft. Dieser Artikel erklärt, was rechtlich gilt: Umgang mit überhängenden Ästen vom Nachbarn – was ist erlaubt?
Dach-Check: Sinnvoll im Herbst
Stürme, Schnee und Frost setzen dem Dach zu. Zwei Risiken sind es, die Hausbesitzer in Bezug auf ihr Dach beachten müssen:
- Undichte Dächer können Auslöser für Schäden am Haus selbst sein.
- Herabfallende Ziegel oder winterliche Dachlawinen sind eine Gefahr für Passanten oder parkende Autos.
Die regelmäßige Kontrolle ist wichtig. Auch weil undichte Stellen zu Frostschäden führen können − außerdem geht unnötig Energie verloren. Lesen Sie, wie Sie sich vor Schäden und Folgekosten schützen können und überprüfen Sie Ihr Dach anhand unserer Checkliste »
Eis und Schnee: Die Verkehrssicherungspflicht im Winter
Streupflicht: Wann muss gegen Eis gestreut werden?
Der Übergang vom Herbst zum Winter ist fließend. Achtung bei Frost: Wenn nasses Laub überfriert oder erster Schneeregen fällt, reicht der Besen nicht mehr aus. Hier greift die klassische Streupflicht (Winterdienst). Um Rutschgefahren zu vermeiden, müssen Sie in diesem Fall mit abstumpfenden Mitteln (Sand, Granulat) streuen. Salz ist in vielen Kommunen aus Umweltschutzgründen verboten – prüfen Sie hierzu Ihre Ortssatzung!
Wichtig: Auch wenn viele Kommunen die Reinigungspflicht der Gehwege auf die Anlieger übertragen, bleibt die Verkehrssicherungspflicht für das Grundstück selbst (Zuwege zur Haustür, Garageneinfahrt) immer beim Eigentümer. Stellen Sie sicher, dass der Weg zum Briefkasten oder zur Haustür auch für Lieferanten sicher ist.
Prüfen Sie in diesem Zuge auch gleich die Außenbeleuchtung: Ein Weg, den man im Dunkeln nicht sieht, ist eine Stolperfalle.
Sturmschäden vorbeugen: Bäume und Dächer kontrollieren
Herbst und Sturm fallen oft zusammen. Wer ein Grundstück mit Bäumen oder Bauteilen wie Dach, Regenrinne oder Schornstein hat, sollte vorsorglich handeln – bevor der Sturm kommt.
Sichtkontrolle: Der prüfende Blick nach oben
Sie müssen kein Forstwirtschaft studiert haben, aber eine regelmäßige Sichtkontrolle Ihres Baumbestands ist Pflicht. Wie oft kontrolliert werden muss, ist gesetzlich nicht strikt fixiert, aber der Bundesgerichtshof hat bestätigt, dass in der Regel zwei Kontrollen pro Jahr genügen – einmal im belaubten Zustand im Sommer und einmal unbelaubt im Herbst/Winter (BGH, Urteil v. 4.3.2004, III ZR 225/03).
Achten Sie bei der Sichtprüfung auf:
- Totholz: Dürre Äste, die herabfallen könnten.
- Krankheitssymptome: Pilzbefall oder instabile Kronen.
- Morsche Äste: Diese müssen entfernt werden, wenn sie auf Gehwege oder Nachbargrundstücke fallen könnten.
Solange ein Baum gesund aussieht, müssen Sie keinen teuren Baumgutachter beauftragen. Entdecken Sie jedoch verdächtige Stellen, müssen Sie handeln: Entfernen Sie die Gefahr sofort oder rufen Sie einen Fachmann. Dokumentieren Sie diese Kontrollen am besten kurz (z.B. Handynotiz mit Foto und Datum).
Das Haus sturmfest machen Nicht nur Bäume, auch das Gebäude selbst muss sicher sein. Prüfen Sie Dachziegel, Schornsteine, Regenrinnen und Zäune auf Festigkeit. Auch Gartenmöbel oder Blumenkübel können bei Sturm zu gefährlichen Geschossen werden und Passanten verletzen – sichern Sie diese rechtzeitig.
Sonderfall: Welche Verkehrssicherungspflicht haben Vermieter – und welche Pflichten dürfen sie dem Mieter übertragen?
Ein weit verbreiteter Irrtum ist, dass Mieter automatisch für das Fegen zuständig sind. Grundsätzlich liegt die Verkehrssicherungspflicht beim Vermieter. Er ist der Eigentümer und trägt die Letztverantwortung.
Pflichtenübertragung im Mietvertrag
Der Vermieter kann Aufgaben wie das Laubfegen oder Schneeräumen (den sogenannten Winterdienst) wirksam im Mietvertrag auf den Mieter übertragen. Ist diese Pflicht nur in der Hausordnung geregelt, muss diese Hausordnung nachweislich zum festen Bestandteil des Mietvertrags gemacht worden sein. Achtung: Der Vermieter ist damit nicht „aus dem Schneider“.
Der Vermieter behält eine Überwachungs- und Kontrollpflicht:
- Der Vermieter muss stichprobenartig prüfen, ob der Mieter seinen Pflichten nachkommt.
- Tut der Mieter dies nicht und der Vermieter schreitet nicht ein, haften im Schadensfall oft beide.
Haftung und Konsequenzen: Was passiert bei einem Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht?
Wenn trotz aller Vorsicht etwas passiert – ein Passant rutscht auf nassem Laub aus oder ein Ziegel trifft ein Auto –, wird die Schuldfrage gestellt.
Zivilrechtliche Haftung
Der Eigentümer haftet zivilrechtlich. Der Geschädigte fordert in der Regel Schadensersatz (z.B. für Kleidung, Verdienstausfall) und Schmerzensgeld. Wer brüchige Äste entdeckt, aber nichts unternimmt, handelt grob fahrlässig.
- Für Selbstnutzer eines Einfamilienhauses: Hier springt in der Regel die private Haftpflichtversicherung ein. Prüfen Sie unbedingt Ihren Vertrag!
- Für Vermieter (auch von Einliegerwohnungen) und Eigentümergemeinschaften: Die private Haftpflicht reicht nicht aus. Hier ist eine separate Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung zwingend erforderlich.
Achtung: Auch wenn Eigentümer von Grundstücken ein Schild mit der Aufschrift „Betreten auf eigene Gefahr“ aufstellen, sind sie damit nicht von der Verkehrssicherungspflicht entbunden.
Strafrechtliche Folgen Es geht nicht nur um Geld. Wird eine Person schwer verletzt, weil Sie fahrlässig gehandelt haben, kann das strafrechtliche Konsequenzen haben, etwa eine Anzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung.
Verstoß gegen Verkehrssicherungspflicht anzeigen?
Oft fragen sich Nachbarn, ob man einen drohenden Verstoß anzeigen kann. Wenn Sie bemerken, dass vom Nachbargrundstück eine akute Gefahr ausgeht (z.B. lose Dachziegel), ist der direkte Weg zum Eigentümer der erste Schritt.
Wer selbst geschädigt wurde, muss keine polizeiliche Anzeige erstatten, um Schmerzensgeld zu erhalten – er muss seine Ansprüche ggf. mit Anwalt schriftlich beim Eigentümer geltend machen. Sichern Sie hierfür unbedingt Beweise mit Fotos und Zeugenaussagen.
Fazit: Die Verkehrssicherungspflicht bedeutet Arbeit, schützt Sie aber vor teuren Klagen
- Sicherheit geht vor: Ein Grundstück muss so gesichert sein, dass Passanten und Besucher vor erkennbaren und zumutbar vermeidbaren Gefahren geschützt sind.
- Laub und Schnee: Räumen Sie Gehwege und Zuwege zuverlässig, um Rutschunfälle zu vermeiden.
- Kontrolle: Begutachten Sie Bäume regelmäßig auf Gefahren und prüfen Sie Ihr Dach zusätzlich nach Stürmen auf lose Teile.
- Vermieter: Auch bei Übertragung der Pflichten auf den Mieter bleibt eine Kontrollpflicht bestehen.
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