Umgang mit überhängenden Ästen vom Nachbarn – was ist erlaubt?

Die Rechtslage im Check
Der Baum des Nachbarn spendet wohltuenden Schatten, doch seine Äste ragen immer weiter über die Grundstücksgrenze. Viele Hausbesitzer fragen sich daher:
„Darf ich die überhängenden Zweige einfach selbst abschneiden?“
Und: „Darf ich Äste vom Nachbarn zurückwerfen?“
Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) gibt Ihnen mit dem sogenannten Selbsthilferecht tatsächlich die Befugnis dazu, doch der Griff zur Säge ist an klare Bedingungen geknüpft. Dieser Artikel beleuchtet die rechtlichen Rahmenbedingungen, erklärt, wer die Kosten trägt und warum Sie abgeschnittene Äste auf keinen Fall einfach auf das Nachbargrundstück zurückwerfen dürfen.
Das erfahren Sie in diesem Artikel:
- Darf ich überhängende Äste vom Nachbarn abschneiden?
- Wohin mit den Ästen: Darf ich Äste vom Nachbarn zurückwerfen?
- Ich fühle mich von überhängenden Ästen gestört: Wie gehe ich am besten vor und wer trägt die Kosten?
- Bis zu welcher Höhe darf ich überhängende Äste abschneiden?
- Darf ich Laub, Nadeln und Zapfen zurück auf das Nachbargrundstück werfen?
- Fazit: Umgang mit überhängenden Ästen vom Nachbarn
Darf ich überhängende Äste vom Nachbarn abschneiden?

Äste, die vom Baum des Nachbarn auf Ihr Grundstück ragen, dürfen Sie (gemäß dem Selbsthilferecht) als sogenannten „Überhang“ (§ 910 BGB) betrachten und abschneiden. Dies hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 11. Juni 2021 (Az. V ZR 234/19) bestätigt – selbst wenn der Baum nach dem Rückschnitt nicht mehr standfest ist.
Da der Nachbar jedoch das vorrangige Recht hat, seinen Baum zu pflegen, sollten Sie ihn zunächst bitten, die Äste zu entfernen. Fordern Sie ihn am besten schriftlich auf und setzen Sie eine angemessene Frist von zwei bis vier Wochen.
Müssen Sie dennoch selbst zur Astschere greifen, schneiden Sie fachgerecht direkt an der Grundstücksgrenze. Der BGH entschied, dass es sich dabei nicht um eine widerrechtliche Sachbeschädigung darstellt – auch wenn der Baum dadurch Schaden nimmt. Um allerdings Schadensersatzansprüche zu vermeiden, sollten Sie darauf achten, keine Teile des Baumes zu beschädigen, die auf dem Nachbargrundstück liegen.
Beachten Sie außerdem das Bundesnaturschutzgesetz: In der Schutzperiode vom 1. März bis zum 30. September ist ein radikaler Rückschnitt von Bäumen verboten. Schonende Form- und Pflegeschnitte, wie das Entfernen einzelner überhängender Äste, sind hingegen ganzjährig erlaubt. Einen massiven Rückschnitt können Sie in dieser Zeit also nicht vom Nachbarn verlangen, einen normalen Pflegeschnitt jedoch schon.

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Baumschutz kann das Selbsthilferecht einschränken
Nach § 910 BGB dürfen Sie Wurzeln und Äste, die von einem Nachbarbaum auf Ihr Grundstück übergreifen, abschneiden und verwerten. Wichtig: Bei überhängenden Ästen müssen Sie Ihrem Nachbarn zunächst eine angemessene Frist setzen, damit er selbst tätig wird. Herüberwachsende Wurzeln dürfen Sie dagegen sofort entfernen – eine Frist ist hier nicht erforderlich.
Dieses Selbsthilferecht kann jedoch durch kommunale Baumschutzsatzungen eingeschränkt sein. Steht der Baum unter Schutz, heißt das nicht, dass Sie untätig bleiben müssen; Sie dürfen die Schnitte jedoch nicht eigenmächtig vornehmen. In diesem Fall benötigen Sie von der zuständigen Behörde – etwa dem Grünflächenamt Ihrer Gemeinde – eine Ausnahmegenehmigung.
Wann stören die Äste vom Nachbarbaum wirklich?
Nur weil es grundsätzlich erlaubt ist, bei überhängenden Zweigen zur Astschere zu greifen, dürfen Sie trotzdem nicht einfach nach Ihren Gutdünken agieren. Rein optische Störungen reichen meist nicht als Grund aus, um überhängende Äste abzuschneiden. Prüfen Sie, ob sie tatsächlich die Nutzung Ihres Grundstücks beeinträchtigen. Laut § 910 Abs. 2 BGB muss dies nämlich der Fall sein. Dies kann zum Beispiel der Fall sein durch:
- eine erhebliche Verschattung Ihrer Terrasse,
- starken Laubfall in einem Gartenteich oder
- eine Gefahr durch morsche Äste
Auch wenn die herüberhängenden Äste sehr hoch hängen, stellt das noch keine Beeinträchtigung dar.
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Wohin mit den Ästen: Darf ich Äste vom Nachbarn zurückwerfen?

Denken Sie nun: „Die Äste stammen vom Nachbarbaum, also darf ich die Äste vom Nachbarn ja wohl wieder auf das Grundstück zurückwerfen, oder?“
Nein. Herüberhängende Äste dürfen zwar abgeschnitten werden. Äste auf das Nachbargrundstück zurückzuwerfen ist aber nicht erlaubt. Dies kann als Besitzstörung oder, wenn etwas beschädigt wird, sogar als Sachbeschädigung gewertet werden.
Die Begründung dafür liegt im Eigentumsrecht: Gemäß § 910 BGB dürfen Sie die abgeschnittenen Zweige behalten – damit gehen diese in Ihr Eigentum über. Sie sind somit auch für die ordnungsgemäße Entsorgung selbst verantwortlich.
Ich fühle mich von überhängenden Ästen gestört: Wie gehe ich am besten vor und wer trägt die Kosten?
Suchen Sie zunächst das Gespräch mit Ihrem Nachbarn und machen Sie sachlich deutlich, dass die herüberhängenden Äste Sie stören. Bieten Sie an, die Äste gemeinsam zu entfernen. Ist der Baum sehr groß, sehr alt oder die Rechtslage unklar, ziehen Sie besser einen Fachbetrieb hinzu. Ist das Verhältnis zu Ihrem Nachbarn bereits angespannt, kann eine neutrale Mediation helfen, unnötigen Streit zu vermeiden.
Reagiert der Nachbar trotz Aufforderung nicht, dürfen Sie sich wie oben beschrieben selbst behelfen und die Äste zurückschneiden (lassen). Ob der Nachbar die Kosten dafür erstatten muss, ist aber rechtlich umstritten: Zwar haben Sie nach § 1004 BGB grundsätzlich einen Anspruch auf Beseitigung der „Störung“, doch die Ersatzfähigkeit der Aufwendungen hängt vom Einzelfall ab und wird oft erst vor Gericht geklärt. Ein automatisches Recht, dem Nachbarn die Rechnung zu präsentieren, gibt es daher nicht. Achtung: Werden die Äste nicht fachgerecht entfernt, kann der Nachbar wegen möglicher Schäden seinerseits Schadensersatz verlangen.

Bis zu welcher Höhe darf ich überhängende Äste abschneiden?

Das Gesetz schreibt keine Höhenbegrenzung vor, sondern bestimmt lediglich den Ort des Schnitts: Überhängende Zweige, die vom Grundstück Ihres Nachbarn in den Luftraum über Ihrem Grundstück ragen, dürfen Sie unmittelbar an der Grundstücksgrenze kappen. Das gilt für den gesamten Überhang – egal in welcher Höhe.
Entscheidend ist dabei, dass Sie Ihr Recht ausschließlich von Ihrem eigenen Grundstück aus ausüben. Ohne ausdrückliche Zustimmung Ihres Nachbarn dürfen Sie dessen Boden nicht betreten, um dort zu sägen oder zu schneiden. Sämtliche Arbeiten müssen daher von Ihrer Seite der Grenze erfolgen.
Darf ich Laub, Nadeln und Zapfen zurück auf das Nachbargrundstück werfen?

Eine ähnliche Frage, nur diesmal geht es nicht um Äste: Wenn das Laub des Nachbarn Ihren Rasen bedeckt, ist das zwar ärgerlich, doch zurückwerfen dürfen Sie es ebenfalls nicht.
Grundlage ist § 906 BGB: Normaler, ortsüblicher Laubfall gilt als naturbedingte Einwirkung, die Sie grundsätzlich hinnehmen müssen. Wer Blätter über die Grenze zurückschüttet, stört den Besitz des Nachbarn und muss mit einer Unterlassungsklage sowie der Forderung nach Erstattung von Reinigungskosten rechnen.
In Ausnahmefällen kommt jedoch eine sogenannte „Laubrente“ in Betracht. Ein finanzieller Ausgleich ist nur dann möglich, wenn
- der Laubanfall das ortsübliche Maß deutlich überschreitet,
- Ihre Grundstücksnutzung dadurch unzumutbar beeinträchtigt wird und
- Ihr Anspruch auf Beseitigung des Baumes – etwa wegen zu geringen Grenzabstands – bereits verjährt ist.
Sind alle drei Voraussetzungen erfüllt, können Sie bzw. der betroffene Eigentümer vom Nachbarn eine jährliche Entschädigung verlangen.
Fazit: Umgang mit überhängenden Ästen vom Nachbarn
- Vom Nachbarbaum herüberhängende Äste dürfen Sie gemäß Selbsthilferecht entfernen. Sie dürfen aber nur abschneiden, was auf Ihre Seite des Grundstücks herübergewachsen ist und wenn der eigene Garten dadurch beeinträchtigt wird.
- Darf man Äste auf das Nachbargrundstück zurückwerfen? Nein – das ist verboten. Gleiches gilt für herabfallendes Laub.
- Um Konflikte zu vermeiden, sollten Sie mit dem Nachbarn sprechen und die herüberhängenden Äste gemeinsam entfernen.