Günstig bauen: Wie eine Familie mit wenig Budget viel Raum gewann

Preiswert bauen dank guter Planung
Gestiegene Baupreise auf der einen, ausufernde Vorgaben im Bebauungsplan auf der anderen Seite: Günstig zu bauen ist heute schwierig. Einer fünfköpfigen Familie aus Remseck ist es dennoch gelungen – mit Kompromissbereitschaft, einem ambitionierten Planungsteam und günstigen Industriebaumaterialien.
Das erfahren Sie in diesem Artikel:
Traumlage mit Haken: Wer plant uns ein günstiges Haus?

Ein kleiner Bauplatz in direkter Feldrandlage, Schulen und Kindergärten im Ort, die Stadtbahn in der Nähe und der Stuttgarter Hauptbahnhof keine 20 Kilometer entfernt: Kein Wunder, dass zahlreiche Familien hier gerne bauen wollten − wie auch das Ehepaar Schwarz. Und das, obwohl beide kurz zuvor noch davon überzeugt waren, dass ein Neubauprojekt für die fünfköpfige Familie finanziell ohnehin nicht zu stemmen wäre.
Dass sie sich 2019 trotzdem für das Grundstück bei der Gemeinde Remseck-Hochberg bewarben, hatte mit einem Buch zu tun: „Neue Low Budget Häuser“ von Thomas Drexel. „Darin stand, dass man den Autor bei Fragen gerne kontaktieren kann und das haben wir getan“, erzählt Fabian Schwarz. „Er hat uns direkt unseren späteren Architekten Florian Stocker empfohlen, der bereits kostengünstige Einfamilienhäuser geplant hatte. Wir trafen uns mit ihm auf dem Bauplatz, fragten, ob man hier günstig bauen kann, und als er das bejahte, bewarben wir uns für das Grundstück und bekamen es sogar!“

Intensive Planung offenbart Einsparpotenziale
Knapp 180.000 Euro kosteten die 276 Quadratmeter, die mit einer Doppelhaushälfte bebaut werden durften. Wie setzt man die nun kostengünstig um? „Darum haben wir in der Planungsphase intensiv gerungen“, erinnert sich Johanna Schwarz. „Wir trafen uns etwa alle vier Wochen mit unserem Architekten und dem Buchautor, der uns in dieser Phase auf Honorarbasis unterstützte.“ Das Ziel: eine maximale Kubatur bei minimalem Materialeinsatz.
Rohbau statt Feinputz
„Was das bedeutet, kann man an der Decke gut erkennen“, sagt Architekt Florian Stocker. „Da haben wir industriell hergestellte Betonfertigteile benutzt, die auf anderen Baustellen noch verputzt werden. Bei uns ist der Rohbau die finale Oberfläche.“
Günstige Baumaterialien

Gleiches gilt für die Betontreppe oder die gedämmten Stahl-Sandwichelemente, die sonst in der Industrie verbaut werden. „Viele denken daher, dass unser Haus noch nicht ganz fertig ist“, erzählt Fabian Schwarz. „Als der Kühlschrank angeliefert wurde, meinte der Spediteur: ‚Da haben Sie aber noch viel Arbeit!‘ Dabei waren wir quasi fertig.“
Reduzierte Wohnflächen
Nicht nur die Baumaterialien, auch die Nutz- und Wohnfläche des Hauses wurde optimiert: Die im ersten Entwurf vorgesehenen 147 Quadratmeter Wohnfläche hat der Architekt auf Wunsch der Familie auf 125 Quadratmeter reduziert. Dies gelang, ohne auf ein großzügiges Wohngefühl zu verzichten: Durch die bewusste Entscheidung, die drei Kinderzimmer mit unter zehn, das Schlafzimmer mit rund elf und das Bad mit knapp sieben Quadratmetern im Obergeschoss kompakt zu dimensionieren, bietet das gesamte Erdgeschoss Platz für Kochen, Wohnen und Essen und ist somit geräumiger Mittelpunkt des Familienlebens.
Stauraumideen ohne Keller
„Dass wir nicht günstig bauen und einen Keller realisieren können, hat uns unser Architekt schnell vermittelt“, sagt Johanna Schwarz. „Ich bin zwar niemand, der viel ansammelt; ganz ohne Stauraum geht es bei fünf Personen ja aber trotzdem nicht.“
Deckenhohe Schränke mit XXL-Volumen
Florian Stocker hatte dafür gleich zwei Lösungen: Zum einen plante er auf der fensterlosen Seite zum Nachbarhaus auf beiden Geschossen eine Schrankzone, die im Erdgeschoss auch die Haustechnik beinhaltet. Hinter raumhohen Schiebetüren aus einfachen Keilrahmen gibt es viel Platz für Kühlschrank, Geschirr, Vorräte und Getränke, aber auch für Spielzeug oder Klamotten. Das entlastet ganz nebenbei die kleinen Zimmer im Obergeschoss.

Seecontainer schaffen extra Platz

Zum anderen wurde der Keller durch zwei preiswerte, zum Teil gedämmte Seecontainer auf dem Grundstück ersetzt, die Waschmaschine, Trockner, Inneneinheit der Wärmepumpe oder Fahrräder aufnehmen.
Bei allem Kostenbewusstsein: Die gestalterischen Aspekte waren allen Beteiligten wichtig. „Den Luftraum über der Leseecke hätten wir für ein paar Quadratmeter mehr Wohnfläche nie rausgestrichen“, sagt Fabian Schwarz. Ohnehin würde die Familie wieder alles haargenau so machen – wie viele Bauherren das wohl von sich behaupten können?
Die Redaktion fragt Architekt Florian Stocker

Worauf kommt es beim günstigen Bauen an?
Man kann an vielen Stellen sparen. Wer den Keller weglässt, spart mindestens 1.000 Euro pro Quadratmeter. Zudem reduziert die Verwendung von Industriebaumaterialien und das Prinzip „Rohbau gleich Ausbau“ die Kosten wesentlich. Bei Familie Schwarz haben wir uns außerdem für die günstigsten 3-fach verglasten Fenster am Markt entschieden, haben auf außen liegenden Sonnenschutz verzichtet und stattdessen den Dachüberstand so geplant, dass im Sommer wenig und im Winter viel Sonne ins Haus kommt. Beim Schallschutz haben wir das Minimum umgesetzt, der ließe sich aber bei Bedarf jederzeit erhöhen.
Welche Auswirkung hat der Bebauungsplan auf die Kosten?
Der Bebauungsplan ist natürlich erst mal knifflig, weil er meist ganz viel vorschreibt. Wie bei Familie Schwarz: Gründach mit Regenretention, Photovoltaik ... Da muss man erst mal ein Fenster finden, in dem man günstig bauen kann. Das darf man dann aber nicht mit billig verwechseln: Wir behandeln günstige Baumaterialien genau so wie hochpreisige. Ein Beispiel: Normalerweise wird nicht darauf geachtet, ob die Betonfertigteile an der Decke in etwa gleich breit sind. Die Teile kommen einfach so, wie sie auf den Kran passen. Wir wollten, dass es zusätzlich auch noch gut aussieht.
Bautafel & Grundrisse
- Baujahr: 2021
- Außenmaße: 6,15 x 12,4 m
- Grundstücksgröße: 276 m²
- Wohnfläche: 125 m²
- Nutzfläche: 16 m² (Seecontainer)
- Bauweise: Mischkonstruktion aus Stahlbeton, Holzstützen, Gipsdielenwänden und Industriesandwichelementen. Begrüntes Flachdach, Regenrückhaltezisterne
- Heizung: Wärmepumpe, PV-Anlage
- Endenergiebedarf: 20,3 kWh/m²a
- Baukosten: 373.000 Euro (ohne PV)
- Architekt: Architekturbüro Stocker BDA, Uhlandstr. 1/a, 73630 Remshalden, www.atelier-stocker.de
Grundrisse
Erdgeschoss

Obergeschoss

Buchtipp: Low Budget Architektenhäuser

Schön und teuer kann (fast) jeder – wie schön und preiswert geht, zeigt dieses Buch. Vorgestellt werden die 50 ausgewählte Low-Budget-Häuser. Sie zeigen die unterschiedlichsten Wege zum architektonisch hochwertigen und gleichzeitig kostengünstigen Bauen. Wie man auch mit begrenztem Budget an sein Traumhaus kommt, illustriert Thomas Drexel mit eindrucksvollen und detailreich beschriebenen Beispielen. Alle vorgestellten Häuser haben nur um die 300.000 Euro gekostet − oder weniger.