Ihr gutes Recht auf die eigene Wallbox: Ratgeber für Mieter und Eigentümer

Streit im Miet- und Mehrfamilienhaus vermeiden
Die Elektromobilität ist im Alltag angekommen, doch ob in der Mietwohnung oder im Eigentum – für viele E-Auto-Besitzer im Mehrfamilienhaus beginnt mit dem Kauf des E-Autos die große Unsicherheit: Darf ich auf meinem Stellplatz eine eigene Wallbox installieren? Darf der Vermieter oder die Eigentümergemeinschaft mein Vorhaben einfach blockieren?
Die gute Nachricht ist: Die Rechtslage hat sich zu Ihren Gunsten geändert. Dieser Ratgeber führt Sie Schritt für Schritt durch Ihre Rechte und zeigt, wie Sie Ihren Anspruch auf eine Wallbox erfolgreich durchsetzen.
Das erfahren Sie in diesem Artikel:
- Die Rechtsgrundlage: Wer genau hat Anspruch auf eine Wallbox?
- Der praktische Weg zur Wallbox: Eine Anleitung für Mieter & Eigentümer
- Typische Konflikte und ihre rechtliche Lösung
- Das Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz (GEIG): neue Pflichten für Eigentümer seit 2025
- Fazit: Wallbox in der Mietwohnung und im Mehrfamilienhaus
Die Rechtsgrundlage: Wer hat Anspruch auf eine Wallbox?
Die wichtigste Nachricht ist: Sowohl Mieter als auch Wohnungseigentümer haben heute einen starken, einklagbaren Rechtsanspruch auf die Errichtung einer Lademöglichkeit. Die rechtlichen Grundlagen sind jedoch unterschiedlich.
1. Wallbox im Mehrfamilienhaus: Das gilt für Wohnungseigentümer
Wenn Sie als Wohnungseigentümer eine Wallbox an Ihrem Stellplatz installieren möchten, ist das modernisierte Wohnungseigentumsgesetz (WEMoG) Ihre stärkste Waffe.
Der entscheidende Paragraph, § 20 Abs. 2 WEG, stuft die Installation einer Ladevorrichtung als „privilegierte bauliche Maßnahme“ ein. Das bedeutet, Sie können die Durchführung von der Gemeinschaft verlangen. Die Gesetzesreform hat eine grundlegende Trennung eingeführt, die das Machtgefüge verändert hat:
- Ein Eigentümer hat einen Anspruch auf die Gestattung der Maßnahme. Die WEG kann die Installation grundsätzlich nicht mehr verweigern.
- Die Gemeinschaft entscheidet nur noch über die Art und Weise der Durchführung. Sie kann beispielsweise verlangen, dass die Wallbox in ein Gesamtkonzept mit einem intelligenten Lastmanagement integriert wird, um die Stromkapazität des Gebäudes zu schonen. Diese Entscheidung muss aber sachlich begründet sein und darf Ihr Vorhaben nicht auf unbestimmte Zeit verzögern (siehe unten).
2. Wallbox in der Mietwohnung: Das gilt für Mieter
Als Mieter leitet sich Ihr Anspruch direkt aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ab. Hier ist die Beziehung eine direkte zwischen Ihnen und Ihrem Vermieter. Die entscheidende Norm ist § 554 BGB: Sie können von Ihrem Vermieter verlangen, Ihnen die Installation einer Wallbox an Ihrem gemieteten Stellplatz zu erlauben.
Der Vermieter kann Ihre Anfrage nur ablehnen, wenn die Maßnahme für ihn "unzumutbar" ist. Das ist eine sehr hohe rechtliche Hürde, und die Beweislast liegt beim Vermieter. Allgemeine Bedenken, etwa eine vermeintlich erhöhte Brandgefahr, reichen hierfür nicht aus, wie Gerichte bereits bestätigt haben.
Ein wegweisendes Urteil des Landgerichts München I (Az. 31 S 12015/21) hat die Rechte von Mietern zusätzlich gestärkt, und zwar hinsichtlich
- der freien Wahl des Anbieters: Der Vermieter darf Ihnen keinen teuren „Hauselektriker“ vorschreiben. Sie dürfen das Fachunternehmen selbst wählen.
- dem Prinzip „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“: Solange die Stromkapazität für Ihre Wallbox ausreicht, muss der Vermieter sie genehmigen. Er kann den Antrag nicht mit dem Argument ablehnen, dass zukünftige Anträge anderer Mieter das Netz überlasten könnten.
Im Detail: Das Urteil des LG München I
In dem Fall (Az. 31 S 12015/21) klagte ein Mieter eines großen Mehrfamilienhauses auf die Erlaubnis zur Installation einer Wallbox. Der Vermieter stimmte grundsätzlich zu, knüpfte seine Erlaubnis aber an die Bedingung, dass die Installation durch die Stadtwerke München erfolgen müsse – eine für den Mieter deutlich teurere Lösung.
Das Gericht gab dem Mieter recht und stärkte damit die Rechte von E-Auto-Fahrern in Mietwohnungen massiv. Die Richter stellten klar, dass der Mieter das Recht hat, ein qualifiziertes Fachunternehmen seiner Wahl zu beauftragen. Der Vermieter kann ihm keinen bestimmten Anbieter vorschreiben. Zudem entschied das Gericht, dass das Argument, die Stromkapazität könne durch zukünftige Anträge anderer Mieter überlastet werden, nicht zählt. Es gilt das Prioritätsprinzip: Solange die Kapazität für den ersten Antragsteller ausreicht, muss die Erlaubnis erteilt werden.
Der praktische Weg zur Wallbox: eine Anleitung für Mieter & Eigentümer

Ob Sie eine Wallbox in Ihrer Mietwohnung oder als Teil der Eigentümergemeinschaft im Mehrfamilienhaus planen – ein eigenmächtiges Vorgehen ist tabu und kann zu einer teuren Rückbaupflicht führen. Gehen Sie stattdessen den formal korrekten Weg.
1. Checkliste: Wallbox im Mehrfamilienhaus für Wohnungseigentümer
- Konzept erstellen lassen: Beauftragen Sie einen Elektriker mit der Erstellung eines technischen Konzepts samt Kostenvoranschlag.
- Antrag bei der Verwaltung einreichen: Stellen Sie einen formalen Antrag bei der WEG-Verwaltung, damit Ihr Anliegen auf die Tagesordnung der nächsten Eigentümerversammlung gesetzt wird. Achten Sie auf die Fristen.
- Beschluss in der Versammlung: Präsentieren Sie Ihr Vorhaben. Die Versammlung stimmt nicht über das "Ob", sondern nur über das "Wie" der Ausführung ab.
- Umsetzung nach Beschluss: Erst nach einem positiven Beschluss dürfen Sie den Elektriker beauftragen. Die Kosten für Ihre Wallbox und die Installation tragen Sie als Antragsteller selbst.
Ob und wie − wo die WEG mitentscheiden darf
Während die Eigentümergemeinschaft (WEG) die Installation an sich nicht mehr verbieten darf (das "Ob"), hat sie ein Mitspracherecht bei der Art und Weise, wie diese durchgeführt wird (das "Wie"). Konkret bedeutet "Durchführung" hier, dass die Gemeinschaft über folgende Punkte mitentscheiden kann:
- die Wahl des Handwerkers: Die WEG kann verlangen, dass ein qualifizierter Elektrofachbetrieb die Arbeiten ausführt.
- die technischen Details: Zum Beispiel, welche Art von Kabeln verwendet wird, wo genau die Leitungen im Gemeinschaftseigentum (z.B. in der Tiefgarage) verlegt werden und wie die Anbindung an den Hausanschluss erfolgt.
- Einbindung in ein Gesamtkonzept: Die Gemeinschaft kann beschließen, ein intelligentes Lastmanagement zu installieren, um die Stromkapazität des Hauses nicht zu überlasten. Ihre Wallbox müsste dann in dieses System integriert werden.
2. Checkliste: Wallbox in der Mietwohnung installieren
- Angebot einholen: Lassen Sie sich von einem qualifizierten Elektrofachbetrieb ein detailliertes Angebot erstellen. Dies ist die Grundlage für Ihren Antrag.
- Schriftlichen Antrag stellen: Reichen Sie den Antrag samt Angebot schriftlich bei Ihrem Vermieter ein und verweisen Sie auf Ihren Anspruch nach § 554 BGB.
- Gestattungsvereinbarung aushandeln: Bestehen Sie vor der Installation auf einer schriftlichen Vereinbarung. Regeln Sie darin klar die Kostenträgerschaft, die Eigentumsverhältnisse, die Haftung und eine mögliche Rückbaupflicht bei Auszug.
- Anmeldung beim Netzbetreiber: Jede Wallbox bis 11 kW ist meldepflichtig, leistungsstärkere Anlagen sind genehmigungspflichtig. Die Anmeldung übernimmt in der Regel der Elektriker.

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Typische Konflikte rund um die Wallbox und ihre rechtliche Lösung

Trotz klarer Gesetze kommt es bei der Planung einer Wallbox in der Mietwohnung oder im Mehrfamilienhaus häufig zu Konflikten.
Streitpunkt 1: „Die Stromkapazität des Hauses reicht nicht!“
Lösung: Dies ist ein legitimer Einwand. Die WEG oder der Vermieter kann die Installation eines intelligenten Lastmanagementsystems zur Bedingung machen. Dieses System verteilt die verfügbare Leistung dynamisch und fair auf alle ladenden Fahrzeuge und verhindert eine Überlastung des Hausanschlusses.
Streitpunkt 2: „Wer bezahlt die Aufrüstung der Gemeinschaftsinfrastruktur?“
Lösung: Die Kosten für die individuelle Wallbox trägt immer der Nutzer. Kosten für Gemeinschaftsanlagen wie ein Lastmanagement werden in der WEG in der Regel unter den E‑Auto‑Fahrern aufgeteilt, die es nutzen. Wichtig: Wer sich später anschließen will, muss sich durch einen „angemessenen Ausgleich“ an den ursprünglichen Investitionskosten beteiligen.
Streitpunkt 3: „Wie wird der Ladestrom korrekt abgerechnet?“
Lösung: Eine faire Abrechnung ist entscheidend, damit es keinen Streit gibt. Das Grundprinzip lautet: Jede Person bezahlt nur den Strom, den ihr eigenes Auto geladen hat. Damit das funktioniert, muss der Verbrauch für jeden Ladevorgang exakt und rechtssicher gemessen werden. In der Praxis gibt es drei bewährte Modelle für die Abrechnung:
- Abrechnung über den eigenen Wohnungszähler: Dies ist oft die einfachste Methode. Das Kabel zur Wallbox wird direkt an den Stromkreis Ihrer Wohnung angeschlossen. Der Ladestrom erscheint dann ganz normal auf Ihrer jährlichen Stromrechnung.
- Ein separater Stromzähler nur für die Wallbox: Ihre Wallbox bekommt einen eigenen, zusätzlichen Zähler. Sie schließen dafür einen separaten Stromvertrag ab, nur für Ihr E-Auto. Der Vorteil hierbei ist, dass Sie oft spezielle und günstigere Autostromtarife nutzen können.
- Professionelle Abrechnungssysteme für größere Anlagen: Wenn mehrere Nachbarn Ladestationen teilen, ist ein zentrales Abrechnungssystem die beste Lösung. Man spricht von einem „Backend-System“, einer intelligenten Verwaltungssoftware. Vor dem Laden müssen Sie sich identifizieren, zum Beispiel mit einer Funk-Ladekarte (RFID) oder per Smartphone‑App. Das System weiß genau, wer wie viel Strom geladen hat, und erstellt automatisch eine exakte Rechnung für jeden Nutzer. Es ist ähnlich, wie wenn Sie sich an einer öffentlichen E‑Ladesäule anmelden und die Rechnung über die geladenen Kilowattstunden erhalten.
Das Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz (GEIG): zusätzliche Pflichten für Eigentümer seit 2025

Die E-Mobilität bekommt noch von anderer Seite Schützenhilfe. Neben Ihrem individuellen Anspruch erleichtert das Gebäude Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz (GEIG) die Umsetzung von Wallboxen erheblich. Es verpflichtet Gebäudeeigentümer, die notwendige Infrastruktur vorzubereiten.
Für Sie bedeutet das: Die teuren Vorarbeiten wie die Verlegung von Leerrohren müssen unter bestimmten Umständen bereits vom Eigentümer durchgeführt werden, was Ihre Installationskosten drastisch reduzieren kann. Diese Regelungen senken die Hürden für eine Wallbox in der Mietwohnung ebenso wie für gemeinschaftliche Lösungen im Mehrfamilienhaus.
Das Gesetz sieht unter anderem folgende Regeln vor
- Nachrüstpflicht für Bestandsgebäude: Seit dem 1. Januar 2025 muss jedes Nichtwohngebäude mit mehr als 20 Stellplätzen mit mindestens einem Ladepunkt ausgestattet sein.
- Pflicht bei Neubau (Wohngebäude > 5 Stellplätze): Bereits seit 2021 muss bei Neubauten jeder Stellplatz mit der Leitungsinfrastruktur (z.B. Leerrohren) für eine spätere Wallbox-Installation ausgestattet werden.
- Pflicht bei größerer Renovierung (Wohngebäude > 10 Stellplätze): Betrifft die Sanierung den Parkplatz oder die elektrische Infrastruktur, muss bereits seit 2021 für jeden Stellplatz die Leitungsinfrastruktur verlegt werden.
Ihr Vorteil: Steht eine größere Sanierung an, sollten Sie Ihren Antrag auf eine Wallbox darauf abstimmen. Die Kosten für die Zuleitung zu Ihrem Stellplatz fallen dann unter die gesetzliche Pflicht des Eigentümers.
Fazit: Wallbox in der Mietwohnung und im Mehrfamilienhaus
- Ob für die Wallbox in der Mietwohnung (§ 554 BGB) oder im Mehrfamilienhaus als Teil einer Eigentümergemeinschaft (§ 20 WEG) – Sie haben einen gesetzlich verankerten Anspruch auf Genehmigung.
- Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, die eigenen Rechte zu kennen und den korrekten formalen Weg einzuschlagen – vom schriftlichen Antrag bis zur Gestattungsvereinbarung.
- Das Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz (GEIG) verpflichtet Eigentümer zunehmend zur Vorinstallation von Leitungsinfrastruktur, was die individuellen Kosten für Wallbox-Besitzer senkt.
- Für typische Streitpunkte bei der Wallbox im Mehrfamilienhaus gibt es etablierte technische und rechtliche Lösungen, die eine faire Umsetzung für alle ermöglichen.
Hinweis: Ohne Gewähr! Die bereitgestellten Informationen sind allgemeiner Natur und stellen keine Rechtsberatung dar. Sie decken nicht alle individuellen Fälle ab. Außerdem haben wir sie für Laien etwas vereinfacht. Wenn Sie rechtlichen Rat für Ihre individuelle Situation benötigen, sollten Sie den Rat von einem qualifizierten Anwalt einholen.